Thüringische Verhältnisse in Reinickendorf?
Anlässlich der aktuellen, bundesweiten Presseberichterstattung und vor dem Hintergrund der zurückliegenden Haushaltsabstimmungen in Reinickendorf, teilt der Fraktionsvorsitzende der CDU, Marvin Schulz, mit:
“In Thüringen hat die CDU einen Antrag zur Steuersenkung eingebracht, der mit Stimmen von FDP und AfD eine Mehrheit im Erfurter Landtag fand. Viele Politiker unterschiedlicher Parteien und zahlreiche Medien sprechen nun von einer bröckelnden CDU-Brandmauer.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit zum Antrag im Landtag nur durch die Zustimmung dieser drei Parteien möglich wurde, gerade erst wörtlich: „Rechtsradikale [gemeint ist damit die AfD im Thüringer Landtag, die als erwiesen rechtsextrem gilt] dürfen bei politischen Entscheidungen niemals das Zünglein an der Waage sein.“
Beinahe zeitgleich zu diesen Äußerungen stimmen in Kevin Kühnerts eigenem Landesverband Berlin allerdings SPD, FDP und Grüne gemeinsam mit der AfD, um ihre Projekte im Reinickendorfer Bezirkshaushalt finanziell zu stärken.
Bei den im Rahmen der Haushaltsberatungen stattfindenden Detailabstimmungen, stimmten drei Mal insgesamt 27 Kommunalpolitiker, bestehend aus SPD, FDP, Grünen und AfD gegen die CDU und eine fraktionslose Verordnete, die auf 25 Stimmen kamen. Insofern war die AfD für die Reinickendorfer Ampel auch in der bezirklichen Haushaltsdebatte mehrheitsrelevant. Es gab im Übrigen auch Anträge, in denen die CDU und die AfD gleich abstimmten. In keinem dieser Fälle war die AfD jedoch wahlentscheidend, da die 24 CDU´ler auch ohne die sechs AfD-Stimmen eine Mehrheit gegen elf anwesende Sozialdemokraten, acht Grüne und zwei FDP´ler hatten.
Reinickendorf hat mehr Einwohner als die Thüringische Landeshauptstadt Erfurt. Die Tragweite der kommunalen Entscheidungen, die hier getroffen werden, sind mit denen in Erfurt deshalb möglicherweise vergleichbar.
Ich halte von der AfD nichts. Aber ich kann auch mit keiner anderen Partei etwas anfangen, sonst wäre ich nicht in meiner.
Mir geht es jetzt auch ausdrücklich nicht darum, die Ampel-Bezirkspolitiker von SPD, FDP und Grünen zu beschimpfen, weil sie mit der AfD eine Mehrheit gegen die CDU bildeten. Jede Partei hat ihre Kerninhalte, für die sie sich in den Haushaltsberatungen einsetzen muss. Es wäre unsinnig, jetzt von den linken Parteien zu erwarten, sich gegen ihre eigenen Anträge zu stellen, nur weil eine dritte Partei möglicherweise Zustimmung signalisieren könnte.
Aber die anderen, in diesem Fall die CDU, auf einer Ebene lautstark zu kritisieren, während die eigenen Leute in Reinickendorf, wenige Kilometer von der SPD-Bundesparteizentrale, das Gleiche machen, ist Doppelmoral und schadet der politischen Kultur in unserem Land.
Wir Politiker sollten endlich anfangen, die Parteitaktik und Empörungsrhetorik sein zu lassen. Es gibt unzählige Probleme, z.B. in der Wirtschafts-, Migrations-, Klima- oder Mobilitätspolitik, um die wir uns mit ganzer Kraft kümmern müssen. Das schließt im Übrigen den Appell an meine eigene Partei ein. Ich will einen neuen politischen Stil, der sich an diesen wichtigen Inhalten und den Herausforderungen der Bevölkerung orientiert.“